Wir sitzen auf unserem Sofa und schauen in die Ferne. Volle Sonne und eiskalter Nordostwind. Wir bleiben zu Hause. Das was jetzt alle anderen auch machen. Es verbindet uns auch irgendwie mit der Welt.
Bildung bildet und formt den Charakter
Wir sitzen jetzt also auf dem Sofa und schreiben diesen Blog-Beitrag. Wir haben Zeit zu schreiben, zu lesen und abzustauben. Beim Abstauben unseres Bücherregals sind wir auf Blaise Pascal gestossen. Klasse seine Gedanken in seinem Buch Pensées:
„Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“.
Es ist wirklich schwer. Wenn die Ablenkungen (via Netflix, YouTube etc.) irgendwann nachlassen und langweilig geworden sind. Dann bleibt nur die Begegnung mit sich selber. Wir müssen mit uns allein zurecht kommen. Und darin sind wir nicht sehr geübt, die meisten von uns haben das auch nicht gelernt.
Wozu leben wir?
Also lieber weiter abstauben. „Ich hasse abstauben“, aber immer noch besser als um sich selber kreisen. Da wird man ja ganz wirr im Kopf. Nächstes Fundstück: Alfred Adler, Wozu leben wir? Gute Frage, gerade jetzt. Wir begehen in 2020 das Adlerjahr, seinen Geburtstag vor 150 Jahren. Was sagt uns Adler heute, immerhin einer der drei Giganten der Psychologie des 20. Jahrhunderts neben Freud und Jung?
Wir sind eh schon ein bisschen auf Adler eingestimmt gewesen. Auf Anregung unseres Freundes Michael lasen wir die Bücher der beiden Japaner Kishimi und Koga, „Du mußt nicht von allen gemocht werden“ und „Du bist genug“ Sie sind eine sehr lesenswerte Einführung in das Denken von Alfred Adler.
Vom Wert der Ehe für den Einzelnen und das Ganze
Aber jetzt zum Original. Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, äußert sich in diesem Buch über die wichtigsten Grundprinzipien seines Ansatzes. Die Themen sind unter anderen, vom Sinn und Zweck der Arbeit und vom Wert der Ehe für den Einzelnen und das Ganze. Es ist die kompakteste Einführung in die Individualpsychologie, geschrieben 1931. Ich schlage es neugierig auf, den Blick wie zufällig gerichtet auf das letzte Kapitel mit der Überschrift „Liebe und Ehe“ und lese:
„Wenn man mich fragen würde, was Liebe und Ehe seien, würde ich folgende, wenn auch immer unvollständige Begriffsbestimmung geben: Liebe, mit ihrer Erfüllung, der Ehe, ist die innigste Hingabe an einen Partner des anderen Geschlechts, ausgedrückt in körperlicher Anziehung, in Kameradschaft und in der Entscheidung, Kinder zu haben. Es ist leicht einzusehen, daß Liebe und Ehe eine Art der Zusammenarbeit ist – eine Zusammenarbeit nicht nur für das Wohl der beiden Beteiligten, sondern eine Zusammenarbeit auch für das Wohl der Menschheit.“
Zusammenarbeit ist das Zauberwort der Stunde
Keiner kann alles. Schon gar nicht allein. Wir brauchen andere Menschen. Wir sind abhängig von den anderen. Nicht sehr angenehm diese Erkenntnis. Denken wir doch meist in Kategorien wie Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie. Und kommen uns dann wie die Größten vor. Ganz überlegen und mächtig, endlich ist die eigene Minderwertigkeit überwunden.
Kurz zusammengefasst sind das die Grundthesen der Individualpsychologie von Adler. Von Anfang an fühlen wir uns als Kind minderwertig, klein und unvollständig. Das Geltungsstreben versucht diesen Mangel zu kompensieren. Das Bedürfnis zu wachsen und voran zu kommen ist in dieser Phase (1. – 6. Lebensjahr) sehr stark abhängig von den Wechselwirkungen mit der familiären Umwelt. Ein Aufgehobensein stellt sich dann ein, wenn sich eine positive Beziehung zu Eltern und Geschwistern entwickeln kann. Das nennt Adler das Gemeinschaftsgefühl oder auch Zugehörigkeitsgefühl.
Die drei Lebensaufgaben
Adler betrachtet den Menschen unter dem Blickwinkel seiner sozialen Beziehungen: „Alle Probleme sind zwischenmenschliche Probleme“. In den folgenden drei Bereichen hat der Mensch wichtige Lebensaufgaben zu meistern: Liebe, Arbeit und Gemeinschaft. Und die Liebe, definiert als die Zusammenarbeit in der Ehe, ist die größte Lebensaufgabe.
Das hört sich nicht sehr romantisch an, eher nach Arbeit. Wenn man Adler wieder liest, könnte man meinen, seine Ansichten sind etwas antiquiert. Schaut man aber genauer hin, bemerkt man die Sprengkraft seiner Ideen auch heute noch. Sie kommen zwar etwas altmodisch daher, sie erweisen sich aber als sehr lebenspraktisch und bereichernd. In unserem Beitrag über die Liebe als Aufgabe für zwei Menschen gehen wir näher darauf ein.
Welche Fundstücke fallen Dir so in die Hände beim „Abstauben“? Schreib uns über Deine Entdeckungen, was Dir wichtig ist. Wir freuen uns darauf.
Literatur:
Pascal, Blaise. Gedanken. 2012. Übersetzt von Ulrich Kunzmann. Kommentar von Eduard Zwierlein. (Suhrkamp Berlin)
Adler, Alfred. Wozu leben wir? 1931. (Fischer Taschenbuch 1979)