Warum nicht mal den Froschkönig anders herum erzählen und interpretieren?
Allein schon wegen einer Geschlechterquote ließe sich das rechtfertigen. Tauchen mehr Prinzen oder mehr Prinzessinnen in den Märchen auf, und wenn ja, ist das gerecht? Aber Spaß beiseite, wir meinen es mit dem Froschkönig wirklich ernst. Wir lasen die wunderbare und aufschlussreiche Interpretation von Hans Jellouschek (Der Froschkönig, 1985, Kreuz Verlag). Sie ist eine der Besten. Andere, etwas abenteuerliche Interpretationen lassen sich auf die Schnelle bei Wikipedia nachlesen.
Frösche gibt es nicht nur im Märchen
Und wie durch Magie hat ein echter Frosch es sich in unserem Vorzelt gemütlich gemacht. Die Frage, um die wir nun herumschleichen, ist: Wer soll ihn küssen und was könnte dabei herauskommen?
Also vertreiben wir uns die Zeit mit dem Froschkönig aus dem Märchen und begeben uns auf die Suche, wie zwei sich finden und zusammenkommen.
Der Prinz und sein Zepter
Es war einmal ein wunderschöner Prinz (warum eigentlich nicht auch mal ein häßlicher?), der langweilte sich im Schloss seiner Königsmutter. Sein liebstes Spielzeug war sein Zepter, mit dem er, wann immer er wollte, herumspielen konnte. Aber auch das wurde irgendwann langweilig. Also setzte er sich an den Brunnen und ließ zufällig sein Zepter in den Brunnen fallen. In der Originalfassung tut das die Königstochter auch. Mit voller Absicht, damit ein bisschen Schwung in die Bude kommt. Und der kommt, denn schwupps taucht ein gräßlicher Frosch auf (warum eigentlich kein wunderschöner Frosch?).
Weil der Königssohn nun so erbärmlich weinte (es weinen auch mal die Männer), erbarmt sich der Frosch und bringt das Zepter wieder herauf. Natürlich nicht, ohne vorher ein paar Bedingungen ausgehandelt zu haben. Dazu später mehr. Der Prinz ist wieder froh, seine alte Welt ist wieder in Ordnung und er flüchtet flugs ins Schloss, ohne sich weiter um den Frosch zu kümmern.
Ein Frosch hat einen Plan
Die erste Verwandlung
Doch da hat er die Rechnung ohne den Frosch gemacht. Der oder sollten wir jetzt langsam die/der Frosch*In sagen? Zum Glück erlaubt unsere Sprache noch, kreative Eigenheiten zu nutzen. Wir bleiben beim alten Sprachgebrauch. Also, unser Frosch hat Lunte gerochen. Er hat sich alle Privilegien, die ein Prinz so hat, gesichert: Am Tischlein sitzen, feine Speisen tafeln und im Bettlein des Prinzen schlafen. Ja, wenn das nicht das Himmelreich auf Erden ist, was dann? Jellouschek meint dazu, dies komme dem Wunsch, immer Kind sein zu können, sehr nahe.
Natürlich ist der Prinz davon nicht angetan. Er verleugnet den Frosch und versucht, ihn zu verdrängen. Da hat er aber Pech, denn Frau Königsmutter gefällt das gar nicht. Was man versprochen hat, muß man (sie meint den Prinzen) auch halten: „Du schaffst das schon, es ist ja nur ein Frosch.“ Und unser braver Prinz fügt sich dem Diktat. Zwar widerwillig und mit ein paar Abstrichen, doch nun steuert die Geschichte auf den Höhepunkt zu. Ins Schlafzimmer darf der Frosch schon, er muß aber in die Ecke sitzen. Der Frosch will natürlich mehr: Neben dem Prinzen im Bettchen liegen.
Jetzt kommt es zur ersten Verwandlung. Im Original verwandelt sich die Prinzessin in eine selbständige Frau und verweigert die väterlichen Gesetze. Unser Prinz macht das gleiche. Er hat die mütterlichen Vorgaben so was von satt, dass er den Frosch (hier als Symbol für die mütterliche Macht) an die Wand wirft. Wow – eine wahre Heldentat. So ganz ohne um Erlaubnis zu bitten.
Varianten der zweiten Verwandlung
Jetzt wird es spannend. Was wird passieren? Überlegen wir doch mal verschiedene Varianten des Frosch-an-die-Wand-werfens:
Variante A: Der Frosch fällt herunter und bleibt weiterhin Frosch. Das ist die Situation, wo keiner so recht ernst machen will. Wirf mich an die Wand, aber tu mir nicht weh. Alles soll so bleiben wie bisher. Das wird dann ein ziemlich lang andauerndes Spiel mit immer neuen Würfen und endlosen Wiederholungen. Auch das füllt die Zeit. Macht für viele schon Sinn genug.
Variante B: Der Frosch entpuppt sich als ein noch wunderschönerer Prinz (der hat sich wahrscheinlich im Märchen geirrt). Hier hätten wir den Fall, dass beide Prinzen höchst vergnügt mit ihren Zeptern spielen, und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.
Variante C: Der Frosch wird zum Ebenbild des Prinzen. Und vor lauter Schönheit (jetzt wissen wir auch, warum es immer wunderschöne Prinzen und Prinzessinnen sein müssen) ist er geblendet. Der Prinz verliebt sich in sich selbst. Und er ist total zufrieden und glücklich. Hat er sich doch endlich selbst gefunden. Ein Trugschluss, der ihm spätestens dann klar wird, wenn er bemerkt, dass er alleine bleibt.
Variante D: Der Frosch verwandelt sich in einen Hund. Huch, damit hat er am wenigsten gerechnet. Natürlich ist der Hund ein schöner Border-Collie. Ob das was für unseren Prinzen wäre? Heute würden sich eher Prinzessinnen darüber freuen. Lieber einen treuen Hundegefährten an der Leine, als sich mit einem Prinzen herumärgern.
Variante E: Jetzt steht sie endlich da, die wunderschöne Prinzessin, und … Und unser Prinz ist zunächst sprachlos. Wie die Männer halt so sind. Wünschen sich immer eine Traumfrau, und wenn sie dann da ist, wissen sie nichts mit ihr anzufangen. Unser Prinz kriegt aber gerade noch die Kurve, sagt „Hallo Du“, und sie legen sich ins Bettchen und schlafen tief und fest. Am nächsten Morgen wachen sie erfrischt auf, die Kutsche der Prinzessin wartet schon vor der Tür und unser Prinz verläßt Mutti, kann endlich groß und stark werden, oder so ähnlich.
Die Moral von der Gschicht`
Damit es zu einer Verwandlung kommen kann, welcher auch immer, braucht es eine starke Prinzessin und einen mutigen Prinzen. Beide wollen dem anderen auf Augenhöhe begegnen und sind bereit, die Eltern hinter sich zu lassen.
Unser echter Frosch ist mittlerweile weitergezogen und wird sich wahrscheinlich neue Partner suchen. Wir sind jedenfalls drum herumgekommen, ihn zu küssen – zumindest diesmal.