
In diesem Artikel geht es um die Zauberkraft des Lobens. Loben kostet nichts und schlägt im Nu tragfähige Brücken zum Nächsten. Seine Zauberkraft vermittelt Anerkennung und Freude und motiviert für ein gutes Miteinander.
Loben ist ein Geschenk
Wartezimmer beim Facharzt. Routinetermin.
Extra früh bestellt, es wird schnell gehen.
Ich sitze allein, trinke etwas Wasser, eine weitere Patientin kommt hinzu. Frau mittleren Alters.
Wir warten beide, es passiert nichts. Kein Aufruf, niemand kommt. Ich schaue die Wartende an.
Mir fällt ihre hübsche Bluse und eine sehr schöne Halskette auf.
Nach weiteren zähen Minuten beginne ich ein Gespräch über das unerwartet lange Warten.
Sie wird auch langsam ungeduldig.
Ich sage spontan wie hübsch ich ihre Kette finde, und wie gut sie ihr steht.

You made my day, bekomme ich als Dank zurück.
Ein Strahlen liegt auf ihrem Gesicht, sie sieht zehn Jahr jünger und richtig fröhlich aus, bedankt sich und sagt mir, wie gut ihr mein Kompliment getan hat. Das missliche Warten ist vergessen.
Nach einiger Zeit kommt ihr Ehemann um sie abzuholen, auch er muß jetzt warten. Sie erzählt ihm von meinem Kompliment und sofort sind wir drei uns einig, wie wenig wir generell loben und wie einfach es doch ist, etwas nettes, freundliches zum andern zu sagen.
Ich komme endlich dran, und das Ehepaar bedankt sich überschwänglich bei mir für die Erkenntnis, wie gut doch ein Lob tut.
Die Wahrheit ist relativ

Wie wäre es gewesen, wenn ich der Wartenden gesagt hätte, wie wenig kleidsam ihre Brille ist und dass es viel vorteilhafter wäre, wenn sie sich eine andere Form und eine andere Farbe aussuchen würde?
Was wäre geschehen? Was hätte ich erreicht: auf jeden Fall hätte es kein Strahlen gegeben, sondern bestenfalls Überraschung und milde Ablehnung. Letztendlich gepaart mit der Einschätzung, dass es mir nicht zusteht ihr Aussehen zu kommentieren.
Wieso habe ich mich für ein Lob entschieden? So genau weiß ich das nicht, aber wahrscheinlich erschien mir ein Lob angebrachter, weil wir uns in der gleichen unangenehmen Situation befanden, vielleicht als ein Akt weiblicher Solidarität. So konnte ich durch die Zauberkraft des Lobens eine kleine Brücke zu meinem Gegenüber schlagen. Tut gut!
Was habe ich aus der Begegnung gelernt?
Wie leicht es mir fällt die Wahrnehmung auf das positive, auf das angenehme Miteinander zu lenken, wenn ich mich dazu entschließe. Selbst wenn ich verärgert und genervt auf meinen Termin warte, habe ich mich nicht meiner miesen Stimmung hingegeben.
Es bleibt mir auch nicht erspart zu erkennen, wie sehr ich auf eine Fehlerkultur getrimmt bin; vermeintlich mit der Absicht einen hilfreichen Rat zu geben, zum Beispiel sich eine passendere Brille zuzulegen. Wie oft maße ich mir Kritik an, in der Erwartung, damit dem anderen zu dienen?
Wer fängt zuerst an mit der Zauberkraft des Lobens?
Als Frauen gehen wir oft davon aus, daß unsere Männer noch ein bißchen erzogen und verbessert werden könnten, und wundern uns, wenn wir zunehmend auf taube Ohren stoßen. Ein typischer Satz von Frauen, den wir in Paargesprächen immer wieder hören, lautet: „Mein Mann hört mir überhaupt nicht zu, es ist als ob ich an eine Wand rede“.
Und die Männer? Die Männer trauen sich meist nicht zu antworten: „Ich habe deine Kritik satt!“ Das würde ja das Wer-Hat-Recht-Spiel eröffnen. Puh, und das klingt nach Arbeit, nach richtig harter Beziehungsarbeit – also lieber die Klappe halten und weghören.
Lange Zeit sehen die Männer den Frauen diese Unart nach, Frauen sind halt so. Aber mit der Zeit schaffen es die Frauen, nur noch als Nörglerin wahrgenommen zu werden. Wie eine beurteilende, ablehnende und zunehmend enttäuschte Erzieherin.
Am Anfang war doch alles gut, wir fanden unseren Mann wunderbar, seine kleinen Fehler spielten keine Rolle, wir verziehen ihm alles, wie die wunderbare Frau eben, die sich alle Männer wünschen.
Sind wir Frauen nicht die Kommunikations-Experten schlechthin?
Also was hindert uns zu verstehen und zu handeln, so wie wir gesehen und verstanden werden wollen?
Eine alte Volksweisheit kann auch im Paarleben helfen:
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus!
Und wir wollen doch von unserem Mann gehört und geliebt werden, oder?